Schwere Sprache

  • Streetwork im Prostitutionsmilieu

In den Kasseler Prostitutionsstätten arbeiten überwiegend Migrantinnen in der Armutsprostitution (Link zu Informationen → Armutsprostitution). Sie sind in der Regel erst kurze Zeit in Deutschland und in einem für sie fremden Land sozial isoliert. In Problemsituationen finden sie selten Zugang zu Beratungsstellen und Hilfsangeboten. Deshalb suchen wir die Prostituierten an ihrem Arbeitsplatz auf.

Unsere niedrigschwellige aufsuchende Arbeit findet in den Kasseler Laufhäusern, in Clubs und auf dem Straßenstrich statt. Zudem sind wir auch für den Landkreis Kassel unterwegs.

Ziel ist es, an den Arbeitsorten der Frauen in Kontakt zu kommen, um uns und die Angebote unserer Beratungsstelle bekannt zu machen, und durch Gespräche und regelmäßige Präsenz eine vertrauensvolle Atmosphäre und Akzeptanz im Milieu herzustellen.

Die Streetworkerinnen sprechen mit den Frauen über gesundheitliche Fragen, über sexuell übertragbare Krankheiten, über Verhütung und Gewaltprävention, mit dem Ziel, die Frauen für diese Themen zu sensibilisieren und aufzuklären. Sie informieren über Hilfsangebote und rechtliche Rahmenbedingungen (Prostituiertengesetz und Prostituiertenschutzgesetz).

Bei der Streetwork spielen die Sprachkenntnisse der sichtbar-Beraterinnen eine entscheidende Rolle. Wir sprechen die Frauen kultursensibel in ihrer eigenen Sprache an und beraten auf Bulgarisch, Türkisch, Rumänisch und  Spanisch. Dabei setzen wir auch mehrsprachiges Informationsmaterial ein.

Darüber hinaus dient die persönliche Kontaktaufnahme auch dazu, uns vor Ort ein Bild von aktuellen Gegebenheiten und Veränderungen im Rotlichtmilieu zu machen und unsere Arbeitskonzepte ggf. anzupassen. Unser Grundsatz ist immer ein dynamischer Arbeitsverlauf, in dem sich unsere Angebote an der Nachfrage orientieren: Die Prostituierten kennen ihre Lebenswelten am besten und machen uns im Gespräch deutlich, ob und inwieweit bestehende Angebote für sie passend und annehmbar sind oder ob es, vor allem unter der Berücksichtigung ihrer sprachlichen und kulturellen Bedürfnisse, weiterer Angebote und Maßnahmen bedarf.

  • Einstiegsberatung

Wir respektieren die Entscheidung von Frauen, die sich freiwillig für die Prostitution als Erwerbsmöglichkeit entscheiden und/oder diese Entscheidung angesichts stark reduzierter Optionen treffen. Eine solch akzeptierende Haltung ist für uns die Voraussetzung für jede Form der Hilfe und Unterstützung für die betroffenen Frauen.

Frauen, die in die Prostitution einsteigen wollen, brauchen seriöse Informationen über die Sexarbeit. Uninformierte Frauen haben es schwerer, selbstbestimmt zu arbeiten. Sie sind gegen Gefährdungen wie persönliche und finanzielle Abhängigkeit, Gewalt, Ausbeutung und Gesundheitsrisiken weniger gewappnet.

Wir beantworten Fragen

  • zu den Arbeitsbedingungen einer Erwerbstätigkeit in der Prostitution
  • zu den rechtlichen Rahmenbedingungen (Prostituiertengesetz, Prostituiertenschutzgesetz, Steuern/Finanzamt im Hinblick auf eine selbstständige Tätigkeit als Prostituierte)
  • zur Anmeldung der Tätigkeit und deren mögliche Auswirkungen auf das Privat- und Arbeitsleben

Ausstiegsberatung

Jede sollte frei entscheiden können, wie lange sie diese Tätigkeit ausüben möchte und wann es Zeit ist auszusteigen.

Doch die bürokratischen Hürden auf dem Weg aus der Prostitution sind oft groß; zudem stellt der Ausstieg für die meisten Frauen eine große persönliche Herausforderung dar.

Oft müssen sie zunächst eine Wohnung finden; zudem wohnen viele Frauen in der Prostitutionsarbeitsstätte und verlieren diese Wohnmöglichkeit, sobald sie aus der Prostitution aussteigen.

Ihr Lebensunterhalt muss gesichert werden; in vielen Fällen besteht jedoch kein Anspruch auf Sozialleistungen, weil die Frau ihre Tätigkeit in der Prostitution nicht nachweisen kann.

Es fällt oft schwer, Perspektiven außerhalb der Prostitutionstätigkeit zu erkennen, vor allem wenn Frauen keinen Schulabschluss und keine Ausbildung haben.

Frauen, die sich an uns wenden, haben z.B. Fragen zu

  •  Existenzsicherung
  •  Anspruchsberechtigungen
  •  Zuzug von Kindern (bei Migrantinnen)
  •  Krankenversicherungsschutz

Wir geben praktische Hilfen, z.B.

  • Begleitung zu Behörden
  • Hilfe bei Anträgen und Behördenpost
  • Einrichtung eines Bankkontos
  • Abschluss einer Krankenversicherung
  • Unterbringung in einer Notwohnung
  • Begleitung

Für viele Migrantinnen in der Prostitution sind mangelnde Deutschkenntnisse, ein niedriger Bildungsgrad und  Unkenntnis und/oder Misstrauen gegenüber Hilfsangeboten große Hürden, die die Inanspruchnahme von Beratung und die Bewältigung von Behördengängen erheblich erschweren und oftmals verhindern. Hier braucht es eine engmaschige Begleitung.

Hilfsangebote können in der Regel nur angenommen werden, wenn sie mit einem an die Bedarfe der Frauen angepassten sehr niedrigschwelligen Begleitungsangebot einhergehen.

Auch im Rahmen von Begleitung ist es wichtig, dass unsere Mitarbeiterinnen die Sprache der Klientinnen sprechen; nur durch muttersprachliche Begleitung können wir sicherstellen, dass die Frauen im entsprechenden Hilfsangebot ankommen und ihre Anliegen dort auch kommunizieren können. Wir begleiten orts- und sprachunkundige Frauen in Arztpraxen, zu anderen Beratungsstellen, in Kliniken und bei Ämter- und Behördengängen.

Ein weiterer Grund für die Inanspruchnahme unseres Begleitungsangebotes ist die gesellschaftliche Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen: auch deutsche Frauen wünschen oftmals unsere Begleitung,  weil sie bei Ämtern und Behörden Diskriminierung befürchten oder erfahren haben und sie diesen  Weg  nur noch mit unserer Unterstützung gehen möchten.

  • Psychosoziale Beratung

Frauen in belastenden und schwierigen Lebenssituationen, die sich aus der Sexarbeit ergeben, können eine psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen (auch fortlaufend), um über ihre Arbeits- und Lebenssituation und psychische Probleme zu sprechen.

Auch bei der psychosozialen Beratung wird das soziale und kulturelle Umfeld der Frauen in der Prostitution berücksichtigt.

Es geht darum, den Frauen  Orientierungs-, Planungs-, Entscheidungs- und Konfliktbewältigungshilfe zu geben und ihre persönliche Befindlichkeit zu verbessern.

Unser Beratungsansatz ist ganzheitlich und parteilich und orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen und subjektiven Bedarfslagen der Frauen.

Die Beratungen sind anonym und vertraulich.